Industriearchitektur in Oberschlesien

Kulturelles Erbe I Umnutzung I Denkmalschutz

 

 Uthemannhutte

 Uthemannhütte, ehem.Verwaltungsgebäude

 

Die Industriearchitektur Oberschlesiens erzählt die Geschichte einer der bedeutendsten Industrieregionen Europas.

Zwischen Kohle und Stahl, Textil und Chemie entstand hier eine einzigartige Kulturlandschaft, deren Bauten weit über ihre funktionale Bestimmung hinaus architektonische, technische und gesellschaftliche Bedeutung tragen.

Unser von 2009-2010 realisiertes Projekt „Struktur und Architektur“ stellt eine Momentaufnahme noch vorhandener Industriearchitektur aus der Zeit vor 1945 dar. Dabei legten wir Wert, möglichst solche Anlagen gegenüberzustellen, die in ihrer Funktionalität und Struktur vergleichbar sind und deren ästhetische Gestaltung dem vom Zeitgeist geprägten Industriedesign Rechnung trägt.

Form folgt Funktion – und Identität

Die Industriearchitektur jener Zeit zeichnete sich durch klare Formen, robuste Materialien und eine oft beeindruckende Dimensionierung aus. Doch trotz aller Zweckmäßigkeit spiegeln viele dieser Bauten auch den Gestaltungswillen und das Selbstverständnis ihrer Bauherren wider: Neogotische Ziegelfassaden, expressionistische Elemente, Jugendstileinflüsse oder frühe moderne Formen zeigen, dass Industriearchitektur mehr war als bloße Hülle – sie war Ausdruck von Fortschrittsglauben, Effizienz und sozialem Wandel.

Nicht nur Produktionsstätten prägten das Bild, sondern auch die begleitenden Wohn- und Sozialbauten: Werkssiedlungen wie Nikiszowiec oder Giszowiec in Katowice sind herausragende Beispiele für durchdachte, städtebaulich integrierte Arbeiterwohnquartiere mit bis heute hoher identitätsstiftender Kraft.

Kulturerbe mit industriellem Charakter

Die Industriearchitektur Oberschlesiens ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Erbes. Viele der historischen Bauten stehen unter Denkmalschutz, andere sind gefährdet oder bereits verschwunden. Doch ihr Wert für die regionale Geschichte, für die europäische Industriekultur und für die kollektive Erinnerung bleibt unbestritten.

Bereits 2004 bereisten wir das Industriegebiet mit dem Ziel, die Menschen kennenzulernen, die diese Region prägen. Drei Mal fuhren wir in bis zu 1000 Meter unter Tage, um die Arbeitsbedingungen live mitzuerleben. Wir portraitierten Berg- und Hüttenarbeiter, Frauen im Bergbau; aber auch Intellektuelle, die sich mit dem Strukturwandel beschäftigen, führten Interviews und besuchten die Menschen in ihrem beruflichen wie auch privatem Umfeld.

Zur Ausstellung „Encounters“ erschien ein Katalog.

Die analogen Großformat Fotografien aus dem Projekt "Struktur und Architektur" wurden im In- und Ausland über mehrere Jahre ausgestellt und waren ebenso Teil der Installation "Erinnerung an Arbeit" von Stephan Stroux in der Zeche Zollverein.

Es erschien ein Bildband inkl. einer beiliegenden CD mit den Klanginstallationen von Richard Ortmann, der das Projekt begleitet und die nun verschwundenen Klänge aufgezeichnet hat.

 

 

Fotos: © Anke Illing, Thomas Voßbeck

1Struktur und Architektur

ISBN:  978-3-936168-57-0